Wie angekündigt – nur etwas später als geplant *schäm* – sprechen wir heute mal über die Verdauung des Pferdes und warum es gut wäre, wenn es ständig etwas zu knabbern hätte (das „Etwas“ muss nicht nur Heu sein, das haben wir ja bereits besprochen!)
Die Verdauung beginnt bereits in der Maulhöhle. Das Pferd nimmt das Futter mit den Lippen auf (nicht mit den Schneidezähnen, wie manchmal irrtümlich behauptet wird) und selektiert eventuell ungenießbares Futter (zB Giftpflanzen) mit der Zunge aus. Der Speichel, der in den Speicheldrüsen gebildet wird, kommt hier bereits dazu und hat 3 Funktionen:
- Mechanische Funktion: Er ist zuständig dafür, dass der Futtermatsch befeuchtet und die Maulhöhle gespült wird.
- Pufferfunktion: Speichel enthält Natriumcarbonat, welches basisch wirkt und den Säure-Basen-Haushalt ins richtige Verhältnis bringt.
- Enzymatische Funktion: Speichel enthält bereits Verdauungsenzyme, damit die Verdauung auch wirklich schon im Maul beginnen kann.
Das Pferd macht pro Minute etwa 80 Kauschläge, wodurch in Folge irgendwann ein Sättigungsgefühl entsteht. Ja, ihr habt richtig gelesen – bei Pferden entsteht das Sättigungsgefühl aufgrund der Kauschläge und nicht nur aufgrund der aufgenommenen Futtermenge. Das ist der Grund, warum Slow Feeder oder engmaschige Heunetze bei zu dicken Pferden durchaus Sinn machen, die Pferde leiden nämlich so keinen Hunger und nehmen trotzdem ab (vorausgesetzt sie streiken nicht aus Frust! Hier ist es tatsächlich notwendig, sehr genau zu beobachten und die Art der Fütterung individuell anzupassen.).
Der Futterbrei gelangt nun in die Speiseröhre und danach in den Magen. Wichtig ist hierbei zu erwähnen, dass das Ventil zwischen Speiseröhre und Magen nur in eine Richtung öffnet – nämlich in Richtung Magen. Das bedeutet, dass Pferde nicht erbrechen können! Darum ist die Aufnahme von Giftpflanzen oder Fremdkörpern bei Pferden leider eine echte Gefahr. Kurz zum Thema Giftpflanzen: Immer wieder hört man, dass Pferde giftige Weidepflanzen ohnehin meiden würden, dass die ja nicht dumm seien, etc…. Das ist bedingt richtig. Pferde lernen von ihren Müttern. Bei Pferden, die auf der Weide und im Herdenverband aufwachsen dürfen, ist die Gefahr, dass sie sich selbst vergiften also geringer. Allerdings wachsen heute viele Pferde nicht mehr so auf, sondern werden mit 6 Monaten abgesetzt und in Jungpferdeherden gesteckt, wo es oftmals kein erwachsenes Tier gibt, das auf die „Kinder“ aufpasst. Von wem sollten diese also lernen, was man essen kann und was nicht? Und leider sind auch oft die Mütter bereits so aufgewachsen… man kann sich also nicht 100%ig darauf verlassen, dass die Pferde wissen, was sie tun – das kann man auch an der relativ hohen Anzahl der Vergiftungsfälle jedes Jahr sehen. Natürlich ist Hysterie nicht angebracht, so ist etwas Hahnenfuß auf der Weide sicher kein Problem (wenn auch nicht gesund, sollten die Pferde ihn fressen)…bei Tollkirsche oder Bergahorn wäre ich deutlich vorsichtiger.
Zum Magen muss noch gesagt werden, dass dieser im Verhältnis zur Größe des Tieres sehr klein ist – es besteht bei stark quellenden Futtermitteln (Rübenschnitzel, Heucobs unaufgeweicht) also rasch die Gefahr einer Magenüberladung und in Folge einer Magenruptur.
Der Futterbrei ist nun also im einhöhligen Magen angekommen, wo es einen drüsenlosen und einen drüsenhaltigen Bereich gibt. Zunächst werden im drüsenlosen Bereich leicht verfügbare Kohlenhydrate, Proteine und Fette zu kurzkettigen Fettsäuren und Ammoniak abgebaut – der pH-Wert liegt hier bei ca. 5,5. Danach kommt im drüsenhaltigen Abschnitt Magensaft zum Futterbrei – der pH-Wert sinkt auf 2-3, dadurch aktiviert sich das Pepsin (=Salzsäure) und die Eiweißspaltung beginnt.
Nach dem Magen folgt der Dünndarm, der beim Pferd sehr, sehr lang ist (25-39 Meter!) und wo sich der Großteil der Verdauung abspielt. Durch Basen- und Pufferanteile in den Verdauungssäften steigt der pH-Wert im Dünndarm in den Neutralbereich. Fett zerfällt mit Hilfe des Gallensaftes in Glycerin und Fettsäuren. Der Gallensaft kommt direkt aus der Leber, da das Pferd ja keine Gallenblase besitzt – dies ist jedoch kein Grund, dass Pferde kein Fett verdauen können, auch wenn dies oft so dargestellt wird. Stärke wird so gut wie möglich in Zucker umgebaut. Hier liegt jedoch ein Problem begraben: Die Stärkeverdauung dauert oft länger, als die Passage des Futterbreis durch den Dünndarm. Dadurch muss der übriggebliebene „Rest“ dann im Dickdarm verdaut werden und es verschiebt sich bei Fütterung von viel Stärke (Kraftfutter wie unbehandelter Mais, Gerste,…) im schlechtesten Fall das mikrobielle Gleichgewicht im Darm, was wiederum zu Verdauungsproblemen wie Kotwasser, Gasbildung, etc. führen kann.
Im Dickdarm sollte idealerweise nur noch die übriggebliebene Rohfaser verdaut werden, und zwar zu Glukose und flüchtigen Fettsäuren. Vitamin B und K werden dabei gebildet. Im Mastdarm (letzter Abschnitt des Dickdarms) wird dann das Wasser resorbiert und die Pferdeäpfel bleiben übrig. Wird im Dickdarm Stärke verdaut, bleiben auch saure Abfallprodukte übrig, was man an den Äpfeln auch riechen kann!
Was man aus dieser Schnellversion der Pferdeverdauung also ableiten kann: Das Pferd braucht für eine gesunde Verdauung viel Zellulose/Rohfaser und einen möglichst ständigen Zugang zu Nahrung. Rohfaser gibt es im Heu, aber auch in Stroh, in Holz (in Form von Knabberästen) und in Gras. Was es nicht braucht, ist Stärke. Natürlich gibt es Pferde, die sehr viel gearbeitet werden und deshalb um Kraftfutter nicht herum kommen….hier ist Hafer sicher die gesündeste Variante, da Hafer sehr gut verdaulich und dazu schleimbildend ist – er schützt also sozusagen beim Fressen den Magen! Die meisten Pferde – und damit sind auch sportlich gerittene Freizeitpferde gemeint – würden grundsätzlich gar kein Kraftfutter brauchen, wenn sie genug Heu zur Verfügung hätten. Wie viel „genügend“ ist, ist tatsächlich je nach Pferd unterschiedlich…das muss man ausprobieren. Ein Richtwert sind 2-3 Kilo/100 kg Körpergewicht. Für dicke Ponies, die abnehmen sollen, reichen auch 1,5 Kilo/100 kg. Hier muss allerdings wieder darauf geachtet werden, dass die Fresspausen nicht zu lange werden, denn die Magensäfte werden ständig gebildet und greifen sonst die Magenschleimhaut an.
Fazit: Richtige Fütterung ist nicht einfach – aber auch kein Hexenwerk. Am besten fährt man mit so viel Heu wie möglich (Verfettung ist aber ebenfalls ungesund!), einem zum Heu passenden Mineralfutter und Hafer bei Bedarf. Alles, was es sonst noch so gibt (und das ist eine Menge!) hilft am meisten dem Futterhersteller. Weniger ist mehr ist auf alle Fälle ein Motto, das auch in der Pferdefütterung seine Gültigkeit hat.