Ein gravierender Unterschied zwischen uns und unseren Pferden ist: Wir müssen lange und viel trainieren, um Sportler zu werden und zu bleiben – Pferde werden als Athleten geboren. Ihr Lungenvolumen ist riesig, sie können ein paar Stunden nach ihrer Geburt bereits ziemlich große Strecken zurücklegen und ihre Muskulatur bildet und formt sich wie von selbst, sofern sie die Möglichkeit haben, den ganzen Tag Bewegung zu machen. Natürlich muss man hier differenzieren zwischen der Reitpferdemuskulatur (die man natürlich antrainieren muss!) und jener, die das Pferd einfach für seine Art der Fortbewegung braucht.
In einem durchschnittlich großen Warmblutpferd fließen 40-50 Liter Blut, von denen mit jedem Herzschlag ca. 850ml durch die Adern gepumpt werden. In Ruhe hat das Pferd eine Herzfrequenz von etwa 28-40, diese kann sich während der Arbeit auf 220-240 Schläge pro Minute erhöhen – man kann sich ausrechnen, welch eine große Menge an Blut in diesem „Kraftwerk“ pro Minute umgewälzt wird.
Was die Atmung betrifft hat das gesunde Pferd in Ruhe 8-16 Atemzüge, dieser Wert erhöht sich bei Arbeit auf bis zu 135 Atemzüge….pro Atemzug werden 4-6 Liter Sauerstoff eingeatmet, welcher über die Lunge ins Blut gelangt und dadurch die Muskulatur und die Organe versorgt. Ein faszinierender Kreislauf (nicht nur beim Pferd!)!
Warum erzähle ich euch das alles? Weil ich euch gerne erklären möchte, wie meine Arbeit auf eure Pferde wirkt!
Die Hauptursache für Lahmheiten und Bewegungsstörungen sind muskuläre Dysbalancen. Jeder Muskel (=Spieler) hat einen Gegenspieler, wenn der eine sich anspannt, dehnt sich der andere. Wenn nun (zB durch Huf-Fehlstellungen oder falschen Beschlag, falsche Reitweise oder einfach Bewegungsmangel, etc) einer der beiden stärker ausgebildet wird, verkümmert der andere und es entsteht ein Ungleichgewicht, das zu Verspannungen und Verklebungen in der Muskulatur und den umliegenden Geweben führt. Genau dort setzt Massage und Physiotraining an.
Mit Faszientechniken und Massagen werden Verspannungen und Verklebungen in der Muskulatur gelöst, die Folge ist eine bessere Durchblutung. Was besser durchblutet ist, wird weicher – was weicher ist, hält nicht so fest. Da Muskeln ja durch Sehnen an den Knochen befestigt sind und dafür sorgen, dass Gelenke sich bewegen, wird so der Zug an den Gelenken verringert und das Gangbild kann sich verändern. Oft lässt sich eine Veränderung schon nach einer Behandlung feststellen, grundsätzlich muss man aber natürlich die neuen Bewegungsmuster dann schon festigen und „trainieren“ – darum PhysioTRAINING. Ohne Fleiß kein Preis…das ist leider auch hier so
Die Faszination besteht darin, dass ausschließlich Muskulatur beeinflusst wird – es wird durch Massage nichts eingerenkt (meist ist auch vorher nichts ausgerenkt, wie viele Menschen denken…) und kein Gelenk wird direkt manipuliert.
Das allerwichtigste in dem Zusammenhang ist – neben der regelmäßigen Übung – dass das Pferd sich möglichst viel FREI bewegen darf. Also auf der Koppel/Wiese, ohne Einschränkung, mit genügend Platz. Viele Verspannungen entstehen gar nicht erst, wenn die Pferde sich frei bewegen können. Wir kennen das von uns selbst, wenn wir uns das Genick verrissen haben o.ä. – wenn wir uns nicht mehr bewegen, wird es nur noch schlimmer! Mit ein paar Tagen moderater Bewegung (heißt, ich kann selbst entscheiden, was mir gut tut) und ein paar sinnvollen Übungen ist es normalerweise nach 1-2 Tagen wieder gut.
Was Massage und Physiotraining NICHT kann:
- Sehnenschäden heilen
- Gelenke einrenken
- Hufe bearbeiten
- Sättel anpassen
- …
Das soll heißen, dass es für jedes Gebiet einen eigenen Fachmann braucht und der Physio immer nur in seinem Bereich arbeiten kann – das ist die Muskulatur des Pferdes. Wenn die Hufbearbeitung schlecht ist, kann er unter Umständen darauf hinweisen – ändern kann er das jedoch nicht. Das bedeutet, dass die Verspannung wiederkommen wird, wenn die Hufe der Grund dafür sind – so lange, bis die Hufstellung und -bearbeitung passen!
Muskuläre Dysbalancen entstehen meist nicht von heute auf morgen, dh es dauert auch eine Zeit, bis man sie wieder aufgelöst hat. Besser ist natürlich, sie gar nicht erst entstehen zu lassen. Neben der freien Bewegung ist es darum sicher sinnvoll, das Pferd 2mal im Jahr einem Physio/Osteo vorzustellen, denn im besten Fall genießt das Pferd einfach die Massage und im schlimmsten Fall löst der Fachmann eine Verspannung, die nicht länger da war, als ein paar Monate. Wenn das bei jedem Pferd von Anfang an gemacht würde (auch bei Jungpferden im Wachstum!)….Das wäre der Optimalfall und mein Traum für eine bessere Pferdewelt